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"Mehr denn ganz verheeret ..." eingestellt am: 22.09.2008

Zurück in die Vergangenheit

 

Die Schüler der 8. Jahrgangsstufe beschäftigten sich kurz vor Ende des Schuljahres 2007/2008 mit den Auswirklungen des 30-jährigen Krieges auf die Stadt Landshut im Rahmen einer historischen Exkursion.

 

Die Burg ist in den Pulverdampf der Vorderlader gehüllt, Musik von Flöten und Trommeln klingt vom Burghof, aber auch das Schreien und Stöhnen der Verwundeten ist zu hören. Landshut im 30-jährigen Krieg ist das Thema, mit dem sich die 45 Schüler der 8. Klassen der Staatlichen Wirtschaftschule Deggendorf auseinandersetzen.

Dazu begaben sie sich an einem Freitagabend auf eine aufregende Reise in das Landshut um 1630&..

 

Lehrplanbezug

Der 30-jährige Krieg wird in dieser Jahrgangsstufe im Geschichtsunterricht ausführlich behandelt. Dabei werden die politischen Konstellationen mit den Schülern besprochen, die Besonderheiten dieses langen Krieges und auch die schrecklichen Auswirkungen für Land und Leute.

Dieser Krieg brachte dem Deutschen Reich gewaltige Bevölkerungsverluste, von den 16 Millionen Einwohnern, die 1618 in den deutschen Territorien wohnten, lebten 1648 nur noch etwa 4 Millionen. Kriegsseuchen wüteten in bis dahin unbekanntem Ausmaß in Europa. Fremde Heere durchstreiften die Lande, raubten Vieh und zerstörten Städte und Dörfer.

 

Söldner im 30-jährigen Krieg

Wer waren die Auslöser für diese Grausamkeiten? Es waren die Soldaten der Heere, Söldner genannt. Am Ende des Krieges hielten die Kaiserlichen etwa 70 000 Mann unter Waffen, ihre Gegner Schweden, Frankreich und Hessen-Kassel etwa 140 000. Sie waren es, die kämpften, töteten und starben. Sie zogen durch ganz Europa und mussten dabei ebenso Elend erleiden, wie sie anderen brachten. Wer waren nun diese Söldner, die scheinbar gesinnungslos mal für die eine, mal für die andere Partei kämpften?

Der Begriff Söldner war, einfach ausgedrückt, ein bezahlter Kriegsmann, ein für Sold angeworbener, zeitlich befristeter und meist durch Vertrag gebundener Soldat. Dabei darf man jedoch nicht die erhebliche soziale Spannweite dieser Berufsgruppe übersehen. Sie reichte vom meist adeligen, schwer gepanzerten Kürassier (Reiter), bis hin zum einfachen Fußknecht. Der Bedarf an Söldnern war im Zeitalter des 30-jährigen Krieges gewaltig.

Die Motivation zu einem Söldnerleben war vielschichtig. Häufig trieb, besonders gegen Ende des Krieges, der Hunger die Menschen zu dieser Lebensform.

Die Quellenlage über das Lebensschicksal der Söldner ist denkbar schlecht. In der Epoche des Dreißigjährigen Krieges war kaum ein Angehöriger der militärischen Unterschichten des Lesens und Schreibens kundig.

Neben den Soldaten lebten im Heer aber auch Musikanten, Pfeifer, Trommler und sogar Handwerker (Zimmerleute, Wagner, Maurer, Metzger, Schmiede).

Die im Verlauf des Krieges immer stärker anwachsenden Heeresstärken brachten erhebliche finanzielle und logistische Probleme mit sich. Besonders die Ernährungsfrage konnte nur selten befriedigend gelöst werden. Nach zeitgenössischen Schätzungen benötigte ein Söldner pro Tag etwa ein Kilo Brot, ein Pfund Fleisch und drei Liter Bier. Dies bedeutete für eine Armee von 40 000 Mann, dass pro Tag 40 000 Kilo Brot gebacken, 20 000 Kilo Fleisch (ca. 100 Ochsen) und 120 000 Liter Bier bereitgestellt werden mussten.

Dem Heer schloss sich der Tross an. Dieser bestand neben den für den Nachschub Verantwortlichen aus Frauen, Kinder, Mätressen, Dienern, Mägden und Knechten, auch dubiosen Geschäftemachern, vielen sozial entwurzelten Außenseitern und Invaliden. Von einem bayerischen Regiment aus dem Jahre 1646 ist bekannt, dass es aus 480 Fußsoldaten in Begleitung von 74 Dienern, 314 Frauen und Kindern, 3 Marketenderinnen und 160 Pferden bestand.

 

Kriegsführung

Bewaffnete Auseinandersetzungen wurden während des Dreißigjährigen Krieges in offenen Feldschlachten und Belagerungen von befestigten, strategisch wichtigen Städten (Magdeburg) ausgetragen. Angriffe auf befestigte Stellungen vermied man allerdings lieber, zu aussichtslos schien der Kampf gegen Befestigungsanlagen und Schanzgräben. Hatte ein Heer sein Lager mit einfachen Feldbefestigungen umgeben, war es praktisch unangreifbar.

Auch eine offene Feldschlacht bedeutete ein unkalkulierbares Risiko. Die vielen Einzelgefechte machten es den kommandierenden Generälen häufig schwer, einen Überblick über das Geschehen zu behalten. Wer eine Schlacht gewonnen hatte, ließ sich dann oft nicht immer eindeutig feststellen. Über einen Rückzug entscheiden häufig nur die Nerven der oberen Befehlshaber und der Soldaten. So wurde das Herr, welches sich länger auf dem Schlachtfeld hielt, im allgemeinen als Sieger angesehen. Aber auch dem Verlierer war es leicht möglich, in nur verhältnismäßig kurzer Zeit sich zu erholen und neu zu formieren. Die Möglichkeit ein neues Heer aufzustellen hing hauptsächlich von den vorhandenen finanziellen Mitteln ab.

 

Exkursion

Die Schüler durften nach einer kulinarischen Stärkung in der Burgschenke bei den Darstellern auf der Burgwiese bei der Darstellung das Leben von Söldnern und den Familien im 30-jährigen Krieg anwesend sein. Dabei erkannten die Schüler, dass das Söldnerleben recht beschwerlich gewesen ist.

Die Heere waren gezwungen ihre Lebensmittel und Kleider entweder selbst herzustellen oder sie von den Bewohnern des besetzten Gebietes mit Gewalt zu entwenden. Die Schüler sahen den Frauen beim Spinnen, beim Nähen und beim Kochen zu. Im 30-jährigen Krieg war der Schlachtenverlauf abhängig von der Disziplin jedes einzelnen Soldaten. Die Söldner waren in Haufen zusammengestellt und mit langen Spießen bewaffnet. Mit diesen mussten die Schüler ebenfalls trainieren. Einer der Schüler wurde sogar mit einer Rüstung bekleidet, um das Gewicht und die körperliche Belastung der damaligen Söldner zu spüren.

Nach dieser Vorführung auf der Burg, startete die eigentliche Vorführung der Reenactment Show Gruppe. Neben einer Burgführung und der Möglichkeit, historische Gegenstände einmal richtig anfassen zu können, erlebten die Schüler wie verschiedene Gruppen (Schauspieler, Musiker, usw.) mit Hilfe von gespielten Szenen versuchen, das Zeitalter und die Geschichte Landshuts mit ihrem ganzen Schrecken möglichst realistisch darzustellen. Dabei zeigten sie die Kampfweise eines Gevierthaufens, schossen mit Musketen und erklärten frühneuzeitliche Belagerungstechniken. Aber auch das Leben der Frauen und die Kultur dieser Zeit kamen nicht zu kurz.

 

Landshut im 30-jährigen Krieg

Der 30-jährige Krieg brachte für Landshut viel Leid. Insgesamt dreimal (1632, 1634 und 1648) wurde die Stadt von den Schweden besetzt.

Die Reenactment Darstellung spiegelte den Einfall vom 22. Juni 1634 wider. Dabei wurde die Stadt in großen Teilen zerstört. Während die Landshuter im Jahr 1632 früh kapitulierten und auf eine Zahlung von 100 000 Reichstalern eingingen, versuchten sie 1634 die Stadt zu verteidigen. Die zur Verfügung stehenden Truppen der katholischen Liga reichten jedoch nicht aus und der Feldherr Johann von Aldringen wurde besiegt. Die Schweden unter den Feldherren Bernhard von Sachsen Weimar und Gustaf Graf Horn erlaubten ihren Armeen die Stadt Landshut 13 Tage zu plündern. Infolge der Zerstörungen und den damit verbundenen katastrophalen hygienischen Verhältnissen brachen Hungersnöte und die Pest innerhalb der Stadt aus. Dieser Krankheit erlag ca. ein Drittel der damaligen Stadtbevölkerung. Von diesem Ereignis erholte sich die Stadt Landshut lange Jahre nicht mehr.

Die Darsteller zeigen diese Ereignisse mulitiperspektivisch. Immer wieder wechselten die Sichtweisen der beiden Kriegsparteien. Die Darstellung spitzte sich immer mehr zu. Den Tag der Schlacht visualisierten sie sogar dann äußerst eindrucksvoll durch fingierte Schwertkämpfe und Chaos.

Der Ausbruch der Pest wurde durch den Auftritt eines Pestarztes in der Kapelle der Burg gezeigt. Pfeifer spielten im Hintergrund leise Weisen. Alle Schüler waren in diesem Moment tief ergriffen und so wurde der Geist der Geschichte und die Grausamkeiten dieser schrecklichen Zeit noch einmal hervorgerufen.

Diese neue Form der Geschichtsdarstellung wird Reenactment genannt und ist von Historikern in den letzten Jahren intensiv und vor allem auch kontrovers diskutiert worden.

 

Reenactment

Reenactment ist eine neue Form der Geschichtsdarstellung. Die Theorie geht auf Robin George Collingwood zurück. Nach ihm sei es Aufgabe der Historiker auf der Grundlage der überlieferten Quellen die Vergangenheit zu rekonstruieren, indem man erneut die Gedanken und Intentionen der handelnden Akteure durchspielt, die sich in den vergangenen Ereignissen ausdrücken. Dabei versuchen Laien eine historisch möglichst exakte Nachstellung von vergangenen Ereignissen. Es soll eine bestmögliche, detailgetreue Wiedergabe der historischen Abläufe garantiert werden. Die Darstellung soll möglichst am Originalschauplatz und zu den gleichen Bedingungen, wie sie beim Originalereignis herrschten stattfinden. Besonders für die römische Epoche werden in den letzten Jahren immer mehr Historiendarstellungen nachgestellt. Probleme bereiten vor allem Gruppen, die sich problematischen Themen des 2. Weltkrieges, insbesondere der Waffen SS annehmen. Dabei werden ideologische Strömungen und Gräueltaten verharmlost oder gar verleugnet.

Die Darstellung der Landshuter Gruppe zeichnet sich vor allem durch eine gute Recherche aus. Alle einzelnen Szenen sind historisch belegt und können nachgewiesen werden. Diese völlig neue Form des Geschichtsunterrichts begeisterte die Schüler sehr.

 

Literatur

 

Langer, Herbert: Hortus Bellicus: Der Dreißigjährige Krieg, Leipzig 1978

 

Parker, Geoffrey: Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt 1991, S. 288

 

Sörensson, Per: Der Dreißigjährige Krieg. Perspektiven und Strukturen, hrsg.v. Hans Ulrich Rudolf, Darmstadt 1977

 

Wette, Wolfram: Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, 2. Aufl., München 1995













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