Archiv 2006-2014

2005/2006  | 2006/2007  | 2007/2008  | 2008/2009  | 2009/2010  | 2010/2011  | 2011/2012  | 2012/2013  | 2013/2014  | 2014/2015  | Alle

Theaterfahrt der Abschlussklassen 2011

eingestellt am: 27.02.2011

Die Abschlussklassen der Staatlichen Wirtschaftsschule besuchten in der laufenden Spielzeit des Stadttheaters Regensburg das Schauspiel „Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller im Velodrom.

Das Stück reiht sich in die bürgerlichen Trauerspiele des 18. und 19. Jahrhunderts ein, zu denen etwa so berühmte Beispiele wie „Miss Sara Sampson" und „Emilia Galotti" von Lessing oder auch „Maria Magdalena" von Friedrich Hebbel gehören. Schillers Beitrag zu diesem Theatergenre nimmt hinsichtlich Geschlossenheit und dramaturgischer Zuspitzung eine außerordentliche Stellung ein. Mit einer geradezu mathematischen Genauigkeit vollzieht sich das Schicksal der beiden Liebenden, die das nach den Sittenregeln der Zeit eigentlich nicht sein dürfen, weil sie unterschiedlichen Ständen angehören.

Die bürgerliche Luise Miller, 16 Jahre jung, bildhübsch, aber auch tugendhaft und fromm, was in jener Zeit noch kein Widerspruch war, und der adlige Major Ferdinand von Walter, ehrenhaft, draufgängerisch, Sohn des ambitionierten und über Leichen gehenden Präsidenten von Walter, lieben sich. Den Vätern missfällt dieser gesellschaftliche „Crossover" ganz entschieden: Millern, weil der Ruf seiner Tochter auf dem Spiel steht oder - schlimmer noch - Schande für die Familie droht, sollte aus dem Werber ein Verführer werden, der sich kaum zu einer Heirat mit einer Bürgerlichen einlassen würde; Präsident von Walter, weil er für seinen Sohn bereits Lady Milford zur Frau bestimmt hat, die am Hofe als Mätresse des Fürsten allergrößten Einfluss besitzt und Ferdinands Karriere nur förderlich sein kann.

So wird eine Intrige ins Werk gesetzt, in deren Verlauf dem störrischen Sohn ein fingierter Liebesbrief der Angebeteten zugespielt wird, der sie diskreditieren soll. Das Ränkespiel des Sekretärs Wurm, der selbst um Luise wirbt und damit hofft, den adligen Nebenbuhler aus dem Feld zu schlagen, gelingt. Blind vor Eifersucht und verletzter Liebe verabreicht er Luise und sich selbst eine tödliche Dosis Gift. Im Sterben öffnet sie Ferdinand die Augen über den wahren Hintergrund: Der Brief war erzwungen, ebenso der Eid, mit der sie zum Schweigen verpflichtet wurde, um die inhaftierten Eltern wieder freizubekommen. Immerhin bleibt dem Sturm-und-Drang-Helden Ferdinand noch genügend Zeit das Verbrechen öffentlich zu machen, der Präsident und sein Sekretär werden der weltlichen Gerichtsbarkeit übergeben.

So weit in Kürze das grandiose Werk Friedrich Schillers - das als Lesedrama immer wieder seine suggestive Kraft ausübt, uns jede menschliche Leidenschaft - im Guten wie im Bösen - bis auf den tiefsten Grund ausloten lässt. Welcher Tiefblick in die menschlichen Seelen, welche künstlerische Reife des 23-jährigen Dichters!

Der Inszenierung von Michael Bleiziffer gelingt eine respektable Umsetzung, wenngleich die Modernisierung der Frauenfiguren Luise und Lady Milford Widersprüche provozieren und die Lessing'sche Wirkungsästhetik einer rüden Wurzelbehandlung zum Opfer fällt. So vollführt Luise (dargestellt von der jungen Schauspielerin Johanna König) einen unmöglichen Spagat zwischen keuscher Bürgerstochter einerseits und lüsternem „Girlie" andererseits, die ihren BH außen trägt. Lady Milford (dargestellt von der brillanten Silke Heise) - eine nach Deutschland emigrierte Adlige - muss einen Vamp in anderen Umständen spielen. Der Dramenschluss, die ausgleichende Gerechtigkeit, mit der die Verbrecher bestraft werden, entfällt. Die schauspielerischen Leistungen, allen voran Anton Schieffer (Präsident von Walter) und Paul Kaiser (Wurm), verdienen höchstes Lob.

Matthias Edbauer StR


zurück